WAGAC – World Advanced Glider Aerobatic Championship 2015 in Zbraslavice
Teil 1
Als ich vor gut zwei Jahren entschied, auf den zweisitzigen Segelkunstflieger Fox Umzuschulen, kam es mir nicht im Geringsten in den Sinn an der Weltmeisterschaft teilzunehmen. Als ich dann erfuhr, dass ich in der Nationalmannschaft bin und Jochen Reuter (er hat mir das Kunstfliegen gelernt) 2015 in Unlimited mitfliegen will, sah das Ganze dann anders aus. Ich nahm am Trainingslager in Walldürn teil und festigte das gelernte am Salzmanncup in Neu-Anspach. Obwohl ich da alle „Weibchen“ versemmelte, blieb mir noch Rang 4. Das war dann auch quasi mein einziges Training für die WM, was mich nicht gerade weniger nervös machte…
Wir haben dieses Jahr nur ein Team in der Klasse Advanced mit Manfred Echter, Martin Götz, Daniela Nowak und mir. Um stressfrei Trainieren zu können, reisten wir 5 Tage vor dem ersten Wertungstag an. Ich konnte nochmals 6 Flüge machen, wonach ich mich erstaunlich bereit fühlte für den Wettkampf.
Das erste Programm, die „Bekannte“ (Known) war für mich einfach unglaublich. Ich stufte meinen Flug als sauber ein, jedoch glaubte ich oben etwas zu hoch und unten etwas zu tief gewesen zu sein, was 140 Strafpunkten geben würde. Erst als die Rangliste definitiv war stand fest: Ich erreichte Platz Nummer Eins! Dass ich damit die allererste Schweizer Goldmedaille im Segelkunstflug sicherstellte, konnte ich nicht glauben…
Jetzt war der Druck noch viel höher, als ich merkte, was eigentlich alles so drin ist… Beim zweiten Programm der „Kür“ stieg ich nochmals aufs Treppchen, Silber! Da zeichnete sich aber schon meine Nervosität etwas ab: Ich stellte das Weibchen zu sehr auf „Sicherheit“, weshalb es kaum rückwärts gerutscht ist. Folge war, dass mir ein Punktrichter eine „PZ“ gab. Sonst hätte es vielleicht sogar nochmals für Gold gereicht…
Tja, irgendwie musste es so kommen: Beim Unbekannten Programm Nummer 1 erflog ich nur den 24ten Platz. Was mich am meisten nervte, ich wusste nicht wieso. Man kann jetzt spekulieren, aber wahrscheinlich hat’s auch daran gelegen: Ich konzentrierte mich viel zu fest darauf, keinen Fehler in das Programm einzubauen, als präzise zu fliegen. Ich wollte meine Positionierung einfach nicht aufs Spiel setzen… Trotzdem, im Overall bin ich jetzt mit den ersten 3 quasi Punkte gleich. Wie sich die Rangliste weiterentwickelt hängt also nur von den weiteren unbekannten Programmen ab, welche oft sehr selektiv sind. Vielleicht war der Rückschlag in der Mitte des Wettbewerbs gerade nötig, damit ich mich nochmals zusammenraffe. Heute, dem 10. August, fliegen wir nicht mehr, weil es zu viel Wind hat.
An meinem Flugstil darf ich jetzt wohl nichts mehr ändern. Auch wenn ich nach dem letzten Flug an mir etwas zweifle. Ich versuche morgen so gut zu fliegen wie ich kann, und dann sehen wir. Besser geht ja eh nicht… Ein Ruhetag ist jetzt doch gar nicht schlecht, denn auch die Hitze hier macht zu schaffen…
Teil 2
Nach der ersten Unbekannten folgte die „Free Unknown“. Bei diesem Programm darf jeder Teilnehmer oder Team sich die sieben vorgegebenen Figuren selber frei zusammenstellen. Wenn nötig können zwei Figuren zusätzlich verwendet werden. Wir waren in der Lage was Vernünftiges zusammen zu schustern, und prompt erreichte Martin Götz in diesem Durchgang den 3. Platz, ich den 6. Manfred den 22. und Daniela den 43. Für die Teamwertung konnten wir da solide Punkte sammeln. Für mich hiess das in der Gesamtwertung den zweiten Platz – zwischen Miroslav Cerny (CZE) und Katarzyna Zmudzinska (POL). Dieser Flug war für mich mit wenig Training und Erfahrung besonders anspruchsvoll, da er zwei Figuren beinhaltete, welche ich noch nie geflogen bin. Also musste ich mich umso mehr mental auf die Figuren vorbereiten. Genau bei einer dieser Figuren kam ich etwas aus der Richtung. Von dem her war ich mit dem sechsten Platz absolut zufrieden, ausser dass ich nicht mehr der Leader war.
Nach einigen Gewittern am Abend konnten wir nicht mehr so viele Flüge machen wie zu beginn. Deshalb zeichnete sich schnell ab, dass die zweite Unknown (5. Flug) wohl der letzte sein würde. Das Programm an sich ist nicht schwierig. Man musste vor allem darauf achten, bei allen Figuren genügend Fahrt zu haben, damit die Rollen sauberer geflogen werden können. Und das war auch meine grösste Angst: Bei den Zeitrollen einen Stopp aus Versehen zu vergessen – was die ganze Figur nullen würden, und auch mindestens 10 Plätze in der Rangliste kosten würde. Begeistert war ich nicht vor der Bewertung meines Fluges – besonders als ich mit Schrecken feststellte, dass mir 130 Strafpunkte wegen Boxouts verrechnet wurden. Unmöglich! Wir stellten fest, dass mir 35 Sekunden hinter der Boxkante vor den Judges aufgeschrieben wurden. Auch nach Analyse der GPS Daten stand eindeutig fest: Da war ich nicht draussen. Nachdem wir einen „Complaint“ gemacht haben, wurde dann mir am nächsten Tag mitgeteilt, dass da wohl ein Kommunikationsfehler unterlaufen ist, und die Strafpunkte gelöscht werden… Zwar ärgerlich, aber jetzt sind die Wertungen wenigsten fair.
Am letzten Nachmittag gab es noch eine kleine Flugshow. Dazu gehörten beispielsweise zwei Grippen, Motorkunstflieger, Modellflieger, ein Militärhelikopter, die Schleppflugzeuge in Formation... doch das Highlight war für mich klar der Segelkunstflug vom diesjährigen Weltmeister in Unlimited Ferenc Toth: Sein berühmtes Programm mit der extra dafür komponierten Musik. Zum Schluss kam was er nie lassen kann: Auf dem Rücken 5m über den Boden zischen, negativ aufstossen, dann aber noch über alle Leute fräsen bis ans Ende der Piste und dann in Ameisenkniehöhe noch eine Umkehrkurve um vor allen Zuschauern zum Stehen zu kommen... Ferry halt ;)
Siegerehrung. Schon wie bei der Eröffnungzeremonie wurde auf langweilige Reden verzichtet.
Die feierliche Ehrungen folgten der gleichen Reihe nach wie die Flüge: Known, Free, Unknowns, Overall (Weltmeister). Mit Gold in der Known wurde das erste mal die Schweizer Hymne abgespielt. Nach Silber in der Free, Bronze in Overall und nochmals Bronze in der Teamwertung hatte ich die Hände voll von Pokalen und Diplomen... Das jede meiner Bewegungen mit dem Geklimper von den Medaillen begleitet wurde musste ich mich für diesen Abend dran gewöhnen ;)
Für mich war die WM einfach genial. Der riesige Flugplatz, die unglaublich vielen Föxe und Swifte, alle supernetten Teilnehmer und vor allem die berühmten erfolgreichen Gesichter aus den anderen Ländern, die Organisation (meistens), das Essen, die Unterkunft und zum Schluss die Ergebnisse! Könnte eigentlich kaum besser gewesen sein. Fliegerisch konnte ich so viel dazulernen. Dazu gehört nicht nur das "Handwerk" im Flugzeug, sondern auch die Theorie über verschiedenste Figuren, die mentale Vorbereitung und Analyse nach dem Flug (was wohl 90% vom Erfolg ausmacht), Wetterbedingungen richtig einschätzen und entsprechend reagieren.
Nicht zuletzt konnte ich auch Kontakte knüpfen mit Piloten von anderen Ländern, was sehr praktisch ist zum Mal ein kostengünstiges Trainingswochenende im Ausland machen zu können. Gerade weil die Kunstflieger in einigen Fluggruppen oft NOCH als "Flügelverbieger" bezeichnet werden, ist der Zusammenhalt enorm wichtig. Für mich war die WM ein absolutes geniales Erlebnis. Das heisst nun, am Ball bleiben, weiter üben, und dann vielleicht mal in die Königsklasse „Unlimited“ umsteigen. Nächstest Jahr jedenfalls nochmals Advanced…
Ich möchte zum Schluss noch meinen Dank an Jochen Reuter richten. Wegen Ihm hab ich unter anderem mit dem Kunstflug begonnen und von Ihm habe ich das Meiste gelernt. Obwohl er leider nicht teilnehmen konnte, hatte er mich aus der Ferne voll unterstützt! Da können sich so viele Fluglehrer und erfahrene Wettbewerbsflieger eine fette Scheibe abschneiden! Danke Jochen!
Jonas Langenegger