Der wilde Osten
Die Einrichtung von Mikes neuem Zimmer zog sich leider etwas in die Länge, so dass es Mittag wurde, bis wir die beiden Anhänger mit dem Cirrus 96 und der Libelle D4 an unsere Volvos anhängen und uns nach Österreich aufmachen konnten. Wir entschieden uns nicht direkt in die Steiermark zu fahren sondern zuerst nach St. Johann im Tirol, um dort am Donnerstag einen Trainingsflug zu absolvieren und dann am Abend noch bis zum eigentlichen Wettkampfort, nach Niederöblarn zu fahren.
Nach einem „Aufwärmflug“ unter besten thermischen Bedingungen in der Region um St. Johann trafen wir am Donnerstagabend in Niederöblarn auf dem Flugplatz ein. Am Freitag waren die Flugplatzeinweisung und ein Trainingsflug angesagt. Es wurde ein kleiner Probe-Task nach Zell am See und nach Trieben ausgeschrieben. Diesen konnten Mike und ich erfolgreich abfliegen und dabei das System testen. Interessant war für viele Piloten dann auch, dass da zwei Fremde auf Schweizerdeutsch am Funk quasselten. Zum Glück war ein Fluglehrer anwesend, welcher sich als Dolmetscher anerbot und so zum Beispiel Krete mit Grat übersetzte.
Der Wettbewerb
Ziel unserer Ferien war aber nicht nur die Österreicher am Funk zu verwirren sondern die Teilnahme an der österreichischen Juniorenmeisterschaft im Streckensegelflug. Der Wettkampf begann am Samstag und dauerte sieben Tage. Das Teilnehmerfeld war mit zwölf Piloten relativ klein, jedoch war der Zusammenhalt und die Kollegialität umso grösser.
Die Erste Aufgabe war ein relativ grosser Task, von über 300km ins Zillertal. Für gewisse Piloten war das sogar einer der ersten Streckenflüge. Mike und ich machten an diesem Tag einen taktischen Fehler, indem wir südlich des Alpenhauptkamms entlangflogen, da das Gebiet dort viel besser entwickelt war als auf der nördlichen Seite. Die Sieger dieses Tages flogen jedoch durch das blaue Loch ins Pinsgau und konnten dort sehr gut Linien fliegen; es wurden Schnittgeschwindigkeiten bis zu 120km/h erreicht.
Am Zweiten Wertungstag wurden wir bis an die Rax geschickt, also bis an das östliche Ende der Alpen. Es wurde uns empfohlen, die Route ein wenig südlich des Kurses auszulegen, da dort die Aussenlandesituation viel entspannter ist als nördlich. Dies taten wir dann auch und es war ein unbeschreibliches Gefühl, als wir im Osten die letzten Berge der Alpen erreichten und sich vor uns ein unendliches Flachland auftat. Wegen der sehr blasenhaften Warmluft hatte ich beim Rückflug einen kleinen Tiefpunkt, fand dann aber gut wieder einen Anschluss. An diesem Tag erreichte ich zusammen mit Paul Altrichter den Tagessieg; Mike folgte auf mich mit einem Punkt Rückstand. Am ersten Wettkampftag gab es aber auch ein paar Aussenlandungen. Durch den starken Zusammenhalt unter den Junioren aber fand jeder einen Rückholer.
Die ersten Wettkampftage waren streng, doch die herannahende Front brachte dann ein paar Ruhetage. In dieser Zeit wurden wir jedoch nicht hängen gelassen sondern hatten immer ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm. Dieses reichte vom Wettervortrag von David Richter über das Kajak fahren auf einem Tümpel neben der Kläranlage bis hin zu einem Ziellandewettbewerb und Fliegen mit dem Grunau Baby. An dieser Stelle möchte ich mich sehr bei der Wettbewerbsleitung bedanken, für das abwechslungsreiche Programm.
Am Donnerstag konnte endlich wieder ein Task ausgeschrieben werden. Hier handelte es sich um einen AAT-Task zuerst in den Osten und dann wieder in den Westen. Mike und ich entschieden uns für einen sehr späten Abflug, da die vorausgesagten Cirren nicht so schnell kamen wie angekündigt. Im Ersten Sektor flogen wir genau so weit wie dies Mike zuvor berechnet hatte. Als wir jedoch wendeten hatten wir beide ein wenig Mühe. Ich war dann kurz vor einer Aussenlandung, als ich einen rettenden Aufwind fand. Ich kam letztendlich mit zwölf Minuten Verspätung am Flugplatz an. Mike war etwa eine halbe Stunde zu spät. Ich war nach der Landung ein wenig niedergeschlagen, da ich nicht so ein gutes Bauchgefühl hatte. Umso grösser war dann die Freude, als ich erfuhr, dass ich wieder den Tagessieg errungen hatte. So war wieder alles offen.
Der Freitag wurde aufgrund der hohen Gewitterneigung neutralisiert, wodurch der Samstag der letzte Wertungstag war. Es wurde ebenfalls ein AAT-Task ausgeschrieben. Der Flug führte mit leichtem Südwind dem Dachstein entlang. Gelegentliche Schauer erschwerten die Aufgabe. So war ich schon vor dem ersten Sektor tief, konnte mich dann aber nochmals ausgraben und flog dann bis in die Nähe von St. Johann im Pongau. Der Rückflug fand dann komplett im Bodeneffekt statt und so schaffte ich es noch bis Niederöblarn. Die Aufgabe hatte lediglich der Meteorologe David geschafft, der Rest war entweder aussengelandet oder hatte den Motor gebraucht. So veränderte dieser Tag nicht mehr viel an der Gesamtwertung.
Nach fünf Wertungsgängen landete Mike mit 2289 Punkten auf dem hervorragenden dritten Rang. Ich wurde zweiter (2407 Punkte) hinter dem Lokalmatador Luki Huber (2610 Punkte). Zwei Schweizer auf dem Podest, ein kleiner Wehrmutstropfen für die Österreicher...
Für mich war das eine unvergessliche Woche und ich bin mir sicher, dass ich in einem Jahr mein Pferd wieder satteln werde auf zum Ritt in den Wilden Osten.
Tizian Steiger